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Wahlen in Kanada
Liberales Comeback in Kanada

Der kanadische Premierminister Mark Carney winkt nach seiner Rede in seinem Wahlkampfhauptquartier, nachdem die Liberale Partei die kanadischen Wahlen in Ottawa gewonnen hatte.

Mark Carney winkt nach seiner Rede in seinem Wahlkampfhauptquartier, nachdem die Liberale Partei die kanadischen Wahlen in Ottawa gewonnen hatte.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Justin Tang

Noch Anfang des Jahres 2025 erschienen der konservative Spitzenkandidat Pierre Poilievre und seine Konservative Partei wie die sicheren Sieger der Wahlen. Mehr als 25 Prozentpunkte lagen sie in Umfragen vor den regierenden Liberalen. In Kanada herrschte eine ausgeprägte Wechselstimmung - besonders ausgeprägt hinsichtlich des kanadischen Premierminister Justin Trudeau, der nach zehn Jahren an der Regierung wegen seiner schlechten Beliebtheitswerte zur Belastung für die Liberale Partei geworden war. Dann griff der neue US-Präsident Donald Trump Kanada an und damit massiv in den Wahlkampf ein.

Das allein hätte noch nicht ausgereicht für ein Comeback der Liberalen. Justin Trudeau erklärte seinen Rücktritt und machte damit den Weg frei für Mark Carney, der in einer Mitgliederbefragung gegen eine Kandidatin aus dem Parteiestablishment klar gewann. Mark Carney steht nicht nur für einen personellen Neuanfang, sondern auch für eine inhaltliche Akzentverschiebung der Liberalen. Als ehemaliger Zentralbankchef bringt er Wirtschaftskompetenz mit. Seinen konservativen 45-jährigen Gegenkandidaten, der seit 20 Jahren im Parlament sitzt, kritisierte er als Karrierepolitiker, der noch nie einen Lohnzettel gesehen habe. Poilievre hat nun seinen Wahlkreis verloren.

06 Mai
6.05.2025 20:30 Uhr
virtuell

Kanadas neue Regierung

Ein Rückblick auf die Wahl und ein liberaler Ausblick

Trumps Angriffe waren Wahlhilfe für Carney

Mark Carney konnte nach der Mitgliederbefragung das Amt des Premierministers antreten. Die Angriffe Trumps auf das kanadische Selbstwertgefühl im Wahlkampf konterte der neue Regierungschef mit patriotischen Reaktionen. Trumps noch kurz vor der Wahl wiederholte Forderung, dass Kanada zum 51. Bundesstaat der USA werden solle, war eine grandiose Wahlhilfe für die von Trump verachteten Liberalen. Hinzu kam, dass der konservative Spitzenkandidat mit "Canada First" einen Slogan gewählt hatte, der ihn in die Nähe Trumps rückte. Allerdings half die unverändert kritische Stimmung in Kanada in Bezug auf die illegale Immigration der konservativen Kampagne. Die kleinere linke New Democratic Party verlor in dieser Debatte stark an Zustimmung.  Nach jetzigem Stand reichen ihre Mandate auch nicht mehr für eine Zusammenarbeit mit den Liberalen.

Das kanadische Wahlrecht belohnt die stärkste Partei

Das kanadische Mehrheitswahlrecht hat in der Vergangenheit immer wieder zu erdrutschartigen Veränderungen geführt. Eine Besonderheit des Wahlrechts ist, dass nicht erst mühsam geschmiedete Koalitionsmehrheiten bestimmen, wer Regierungschef wird. Die Partei, die die meisten Sitze erhält, stellt den Premierminister; unabhängig davon, ob die Partei die Mehrheit im Parlament hat. Der so bestimmte Premierminister muss dann allerdings für Mehrheiten im Parlament sorgen. Wahrscheinlich reicht es bei den Liberalen nicht für eine absolute Mehrheit. Darum wird es spannend, ob der Bloc Québécois von Mark Carney als Koalitionspartner oder für ein Duldungsabkommen gewonnen werden kann.

Wie geht es weiter

Für den Premierminister Mark Carney wird jetzt nicht nur die Frage der Mehrheiten im Parlament wichtig. Er muss das tief gespaltene Kanada einen. Es wird vor allem wichtig, wie er mit seinem schwierigen amerikanischen Nachbarn umgeht. Die kanadische Wirtschaft ist sowohl im Bereich der Automobilindustrie, der Landwirtschaft als auch in anderen Sektoren eng mit der US-amerikanischen Wirtschaft verbunden. Trumps Zölle sind für beide Volkswirtschaften enorm schädlich. Das einst von Donald Trump in seiner ersten Präsidentschaft unterschriebene Handelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko (USMCA) hat das Wachstum der Handelsströme noch verstärkt. Jetzt kommt auf die neue kanadische Regierung die paradoxe Aufgabe zu, den amerikanischen Präsidenten in seiner zweiten Amtszeit davon zu überzeugen, dass seine Politik in der ersten Amtszeit die richtige war. Und schließlich hat Kanada die G7-Präsidentschaft. Bereits im Juni erwartet den kanadischen Regierungschef ein schwieriger G7-Gipfel.

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