Mittel- und Osteuropa
Widerstand in Mittel- und Osteuropa: Warum die Zukunft Europas hier entschieden wird

In Mittel- und Osteuropa wehrt sich die Zivilgesellschaft gegen autokratische Bedrohungen.
© picture alliance / NurPhoto | Jerome GillesDie Frontlinie zwischen Demokratie und Autokratie verläuft quer durch Südost- und Osteuropa, und sie ist dauernd in Bewegung: Russland und seine Nachahmer und Verbündeten untergraben die verletzlichen, jungen Demokratien mit allen Mitteln der Subversion; die freiheitlichen Zivilgesellschaften üben Gegenwehr. Gerade da, wo Freiheit und Demokratie am stärksten bedroht sind, ist der Widerstand groß. Es sind Zeichen der Ermutigung, besonders aus liberaler Sicht. Wir blicken in die Türkei, in die Ukraine, nach Serbien, nach Georgien und nach Rumänien. Die Leiter und Leiterinnen der Projektbüros in der Region analysieren das Verhältnis von Regierung und Zivilgesellschaft in ihrem jeweiligen Land und erklären, warum Europas Zukunft in Mittel- und Osteuropa geformt wird.
Georgien unter Druck: Repression statt Europa
Seit über 160 Tagen protestieren in Georgien täglich Menschen im ganzen Land gegen einen dramatischen Bruch mit Europas Werten, begangen von der Regierung des Georgischen Traums. Gleichzeitig verabschiedet die de-facto Regierung ein Gesetz nach dem anderen, das Zivilgesellschaft, Opposition und Medien gezielt unterdrücken soll.
Mit dem Einzug des Frühlings nach einem langen und kalten Winter keimt die Hoffnung auf, dass sich doch noch das politische Blatt im Land wenden lässt. Seit den gefälschten Wahlen im Oktober 2024 sind die Legitimität des Parlaments, der Regierung und des neuen Präsidenten heftig umstritten. Die Partei Georgischer Traum sitzt allein im Parlament, obwohl ihre beiden Ableger - die Volksmacht und die Europäischen Sozialisten – versuchen, den Anschein von Opposition zu erwecken. Georgien ist zunehmend international von seinen ehemaligen westlichen Partnern isoliert. Die Beziehungen zur EU und zu den USA befinden sich auf einem historischen Tiefpunkt.
Regierungskritiker aus Medien und Zivilgesellschaft sollen mundtot gemacht werden. Unter neuen Mediengesetzen erhält die georgische Kommunikationskommission weitreichende Befugnisse, die sie de facto zur Zensurbehörde werden lässt. Gleichzeitig wird ausländische Finanzierung für Medien nahezu vollständig verboten. Parallel wurde ein zweites Gesetz zur Registrierung „ausländischer Agenten“ verabschiedet. Das Ziel: NGOs und Medien mit westlicher Förderung zu Volksfeinden zu stigmatisieren. Jeden Cent aus dem Ausland will die Regierung in Zukunft bewilligen oder verbieten. Kritiker sehen darin einen weiteren Schritt zur Konsolidierung eines autoritären Systems im Land. Oppositionsführer George Vashadze von der Partei Strategy Builder warnt: „Diese Regierung führt einen offenen Krieg gegen die Zivilgesellschaft. Was wir erleben, ist keine politische Auseinandersetzung mehr – es ist ein Kampf um die Seele des Landes.“
Demonstranten im ganzen Land fordern deshalb Neuwahlen und die Freilassung der ca. 50 Personen, die unrechtmäßig inhaftiert wurden. Denn wer sich gegen den Regierungskurs stellt, zahlt einen hohen Preis: Beamte werden entlassen, Demonstrierende verhaftet oder mit hohen Geldtrafen belegt, Aktivisten gezielt körperlich angegriffen. In den letzten Monaten wurden über 100 Journalisten von Sicherheitskräften und gewalttätigen Gruppen behindert, attackiert oder ihrer Ausrüstung beraubt.
Trotz massiver Repression versammeln sich jeden Abend Menschen vor dem Parlament in Tiflis. Ihre Botschaft ist klar: Georgien gehört zu Europa, nicht in die autoritäre Einflusssphäre Russlands. Polizei-Gewalt gegen Proteste, Diskreditierung westlicher Partner, politische Justiz: all das erinnert mehr an Russland als an Europa. Doch die anhaltenden Proteste sind Beleg für die zähe georgische Widerstandskraft. Junge Menschen, Kulturschaffende, Studierende, Journalisten kämpfen mit Mut und Ausdauer für ein demokratisches Georgien.
Die georgische Opposition ist allerdings zerstritten. Die vier Oppositionsblöcke, die ins Parlament gewählt worden waren, eint allein ihre Ablehnung der Regierung. Präsidentin Salome Surabischwili, die Ende Dezember vom neuen de-facto Präsidenten abgelöst wurde und trotzdem weiterhin von vielen als legitime Präsidentin betrachtet wird, versucht die Oppositionsparteien zusammen zu bringen. Sie wirkt aber planlos. Politische Parteien genießen unter den Demonstranten wenig Vertrauen. Dabei bedarf es gerade jetzt, wo Demonstrierende so stark unter Druck geraten – politischer Führung.
Auch deshalb plant die Regierungspartei die Opposition komplett zu verbieten. Seit Wochen untersucht ein parlamentarischer Ausschuss die angeblichen staatsfeindlichen Handlungen der Vorgängerregierung. Die Ergebnisse sollen als Grundlage für das verfassungsrechtliche Verbot aller Oppositionsparteien dienen und soll selbst die Partei eines der ehemaligen Premierminister des Georgischen Traums treffen, der sich von der Partei abgewendet hat. Damit würde Georgien praktisch zu einem Ein-Parteien-Staat werden unter Führung des Oligarchen Bidzina Iwanischwili. Der georgische Widerstand ist mit solchen Verboten und Repressionen allerdings nicht zum Schweigen zu bringen.
Rumänien: Zwischen liberaler Demokratie und Autoritarismus
In Rumänien herrscht unter Demokraten blankes Entsetzen nach dem Erdrutschsieg des rechtsextremen Populisten und Ersatzkandidaten George Simion im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahlen Anfang Mai. Simion hat nun bei der Stichwahl am 18. Mai gute Chancen, neues Staatsoberhaupt zu werden. Der Wechselkurs schwankte, die Börse in Bukarest lag im Minus. Der Kritiker der EU und Unterstützer von Donald Trump lehnt Militärhilfe für die Ukraine ab und will mehr nationale Souveränität auch über die Nationalisierung privater Wirtschaft. Die bevorstehende Stichwahl gilt somit als richtungsweisend für die künftige politische Ausrichtung Rumäniens, insbesondere im Hinblick auf die Beziehungen zu EU und NATO. Doch nach der ersten Panik findet nun landesweit eine gesamtgesellschaftliche Wahlmobilisierung statt.
Bei der ersten Runde der rumänischen Präsidentschaftswahlen am 4. Mai hat der rechtspopulistische Kandidat George Simion, Vorsitzender der rechtsextremen nationalistischen Partei AUR (Mitglied der ECR), mit rund 40,5 Prozent der Stimmen den ersten Platz belegt und damit das Gesamtergebnis der Nationalisten aus dem Vorjahr überraschend um 10 Prozent gesteigert. Da die absolute Mehrheit verfehlt wurde, findet am 18. Mai eine Stichwahl zwischen Simion und dem parteilosen Bukarester Bürgermeister Nicușor Dan statt, der rund 20,9 Prozent der Stimmen erhielt. Dritter wurde Crin Antonescu von der Regierungskoalition PSD-PNL-UDMR mit rund 20,3 Prozent, gefolgt vom ehemaligen Vorsitzenden der Sozialdemokraten Victor Ponta, der sich als unabhängiger Nationalist gab und mit 14,6 Prozent der Stimmen der GroKo viele Stimmen streitig machte.
Die Vorsitzende der bürgerlich-liberalen Union zur Rettung Rumäniens (USR, Partner unserer Stiftung), Elena Lasconi, die bei der annullierten Wahl vom Vorjahr mit 20 Prozent noch an zweiter Stelle lag, kündigte nach dem Scheitern mit nur 2,68 Prozent ihren Rücktritt an. Die Amtsgeschäfte übernahm der Bürgermeister von Temeswar, Dominic Samuel Fritz, der Nicusor Dan auf einer Pressekonferenz nach einem einstimmigen Beschluss des Parteivorstandes die volle Unterstützung der Partei zusicherte. Diese erhält er auch von den konservativen Liberalen (PNL). Fritz hatte Lasconi bereits vor zwei Wochen aufgefordert, sich aus dem Rennen zurückzuziehen, um Dans Chancen zu erhöhen. Die USR wird am 21. Juni eine neue Führung wählen. Am Abend kündigte Premier Marcel Ciolacu den Rückzug der Sozialdemokraten aus der Regierung an, "zumal die GroKo nach der Wahlniederlage keinen Sinn mehr macht". Es bleibt dem neuen Präsidenten überlassen, eine neue Regierungsmehrheit zu bilden. Übergangspräsident Bolojan (PNL) ernannte Innenminister Catalin Predoiu (PNL) zum Übergangspremier.
Beispielhafte Mobilisierung im demokratischen Lager
Aktivisten, Zivilgesellschaft, Künstler, Wirtschaft, Medien mobilisieren und sind sich einig. Es geht bei dieser Wahl nicht mehr um die Person Simion oder Dan, sondern um die Wahl zwischen liberaler Demokratie oder dem Weg zurück in den Totalitarismus. Die ersten von Nicusor Dan veröffentlichten Umfrageergebnisse zeigen, dass Simion mit 55% deutlich in Führung liegt. Hochrechnungen zufolge müsste die Wahlbeteiligung von 53 Prozent auf mindestens 63 Prozent steigen, damit Dan sich die zusätzlichen 1,5 bis 2 Millionen Stimmen sichern kann. Bei der Mobilisierung wird auf Panikmache gesetzt: „Unter Simion wird es schlimmer als unter Ceausescu“, lautet der Tenor auf allen Kanälen, und einiges deutet bereits darauf hin. Simion hat für den Fall seiner Wahl bereits angekündigt, den inzwischen verbotenen Calin Georgescu zum Premierminister zu ernennen, das Verfassungsgericht zu „reformieren“, 500.000 Beamte zu entlassen und sich um „George Soros nahestehende Medien und NGOs“ zu kümmern. Georgescu selbst ist ein Befürworter der Auflösung des Parteiensystems. Sollte es Georgescu nicht gelingen, eine Regierungsmehrheit zu erlangen, wolle Simion vorgezogene Neuwahlen provozieren, womit eine anhaltende politische Instabilität und der wirtschaftliche Zusammenbruch des Landes vorprogrammiert scheinen.
Nicusor Dan schlägt als Alternative den populären Interimspräsidenten und ehemaligen Bürgermeister von Oradea als Premierminister mit einer Erweiterung der Regierungskoalition um die bisher oppositionelle USR vor, um eine stabile Parlamentsmehrheit zu erreichen. „Ich rufe alle auf, sich mir anzuschließen, die an Recht, Wahrheit, Bildung, moderne Wirtschaft und solide Partnerschaften mit der freien Welt glauben.“
Es geht um alles, doch ob es dem vereinigten demokratischen Lager gelingen wird, in der Kürze der Zeit eine massive Mobilisierung der demokratischen Wählerschaft zu bewirken, steht in den Sternen. Rumänien, so viel ist sicher, steht am Wendepunkt.
Ein ungleicher Kampf
„Abschaum“, „Aasfresser“, „Serbien-Hasser“. Wenn solche Begriffe in der politischen Debatte in Serbien fallen, wissen alle, wer gemeint ist: Es kann nur um die Opposition gehen. Die Vulgarität, die Donald Trump in abgeschwächter Form seit Amtsübernahme in die Politik trägt, ist in Serbien ist sie schon seit der Machtübernahme von Aleksandar Vučić vor anderthalb Jahrzehnten gang und gäbe.
In guter, alter jugoslawischer Tradition hat es die von Vučić mitgegründete Serbische Fortschrittspartei (SNS) geschafft, Staat und Partei miteinander zu verschmelzen – und zwar auf allen Ebenen. Wer einen Job im öffentlichen Dienst anstrebt, muss Parteimitglied werden. Und wer einen Job hat und ihn behalten möchte, von dem wird erwartet, dass er bei Wahlen für die SNS stimmt. Bis auf eine Handvoll Gemeinden unterstehen sämtliche Verwaltungen Vučićs Partei. Auch alle staatsnahen Unternehmen wie die staatlichen Strom- und Gasversorger, die staatliche Telekom, die staatliche Post, selbst die staatliche Tankstellenkette, sind fest in der Hand der Partei. In dieser Logik ist es nur folgerichtig, dass politische Kräfte, die abweichende Vorstellungen von der Zukunft Serbiens haben, als „Serbien-Hasser“ verunglimpft werden, die das Land zerstören möchten.
Staat und Partei sind eins
In anderthalb Jahrzehnten hat es das Regime geschafft, um sich herum ein ganzes Universum aufzubauen, das keine Chance für abweichende Meinungen lässt: Alle landesweit frei verfügbaren TV-Sender gehören Vučić-Getreuen oder verbreiten, wie der staatliche Rundfunk RTS, völlig ungefiltert Regierungspropaganda. Im Jahr 2023 erhielt der Präsident in den öffentlich-rechtlichen Abendnachrichten vierzehnmal mehr Sendezeit als die gesamte politische Opposition zusammen: elfeinhalb Stunden entfielen allein auf den Präsidenten, 44 Minuten auf die Opposition.
Um die Zivilgesellschaft steht es nicht besser: Wer für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, und politische Rechenschaftspflicht eintritt, wird konsequent diffamiert. Als im vergangenen Jahr Raša Nedeljkov, Programmdirektor der Wahlbeobachtungsorganisation CRTA, auf Vermittlung der Friedrich-Naumann-Stiftung im Europaausschuss des Deutschen Bundestages als Berichterstatter zu Wahlbetrug und Desinformation der serbischen Regierung auftrat, forderten Abgeordnete der Regierungspartei, die NGO zu verbieten und Nedeljkov wegen Hochverrats zu verhaften. Erst nachdem das EU-Verbindungsbüro intervenierte, mäßigten sich die SNS-Sprachrohre. Doch die international anerkannte NGO wird weiter wegen „Korruption“ von einer Spezialeinheit der Polizei verfolgt.
Widerstand lässt dich nicht wegdiskreditieren
Und dennoch gibt es genug selbstdenkende Menschen in diesem Land, die trotz aller Desinformation das Spiel der Regierung durchschauen. Seit im November 2024 in Novi Sad ein Bahnhofsvordach wegen Baupfusch einstürzte und sechzehn Menschen tötete, gehen zehntausende Serbinnen und Serben, angeführt von jungen Studierenden, gegen politische Korruption und die Vereinnahmung des Staates durch das herrschende Regime auf die Straße. Anfang März versammelten sich bis zu 300.000 Menschen in Belgrad, um für „ein besseres Serbien“ zu demonstrieren.
Die Regierung zeigte Nerven. Präsident Aleksandar Vučić tauschte einige Minister aus, zudem wurde der Ministerpräsident durch den politisch völlig unerfahrenen Mediziner Đuro Macut ersetzt. Entscheidungen trifft in Serbien sowieso ausschließlich der Präsident. Die seit Monaten andauernden Proteste werden als „aus dem Ausland gesteuerte Farbrevolution“ diskreditiert.
Doch die Studierenden hören nicht auf, für ihre Zukunft in einem gerechten und die Verfassung achtenden Land zu kämpfen. So fuhr eine Gruppe von ihnen unlängst mit dem Fahrrad bis nach Straßburg, um Europarat und Europäisches Parlament über ihr Anliegen zu informieren. Demnächst ist ein Staffellauf bis nach Brüssel geplant. Derartige Aktionen sind nötig, da „normaler Protest“ in einem zerrütteten Land wie Serbien gar nicht mehr wahrgenommen wird.
Zwar gibt sich das Regime immer noch unantastbar. Doch ein Großteil der Bevölkerung hat gezeigt, dass ein Staat aus seinen Bürgerinnen und Bürgern besteht, nicht nur aus einer Partei, die alles dominiert. Die Demokratinnen und Demokraten in Serbien sind wach. Es ist ein Hoffnungszeichen für Europa.
Gesichter der Freiheit: Ungarn
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán setzt seinen brachialen Feldzug gegen die Freiheit fort. Im März verabschiedete das von Orbáns Fidesz-Partei dominierte ungarische Parlament ein Gesetz, das LGBTQ+Pride-Veranstaltungen verbietet und den Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie zur Identifizierung der Teilnehmer und Verhängung von Bußgeldern bis zu 500 Euro erlaubt. Das Gesetz soll die Grundlage dafür schaffen, die Freiheit solcher Versammlungen einzuschränken, die das „Wohl von Kindern“ gefährden. Den Organisatoren droht sogar eine Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr.
Gegenwärtig ist noch völlig unklar, wie das Gesetz angewendet werden soll, z. B. ob schon Demonstrationen mit Regenbogenflaggen verboten werden sollen. Immerhin: Unwidersprochen blieb der Vorstoß nicht. Nach der Verkündigung kam es zu Protesten der Opposition, die sich entschlossen zeigt, grundlegende demokratische Freiheitsrechte zu verteidigen.
Das von der Orbán-Regierung als „Kinderschutzgesetz“ bezeichnete Gesetz wurde weithin als schwerer Eingriff in die Menschenrechte und das Grundrecht der Versammlungsfreiheit kritisiert. Der Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie ist besonders umstritten, zumal das geplante KI-Gesetz der EU eine solche biometrische Überwachung im öffentlichen Raum als hochriskant einstuft. Das Kinderschutzgesetz baut auf früheren Gesetzen auf, die eine positive Darstellung von Homosexualität Minderjährigen gegenüber unter Strafe stellen.
Die liberale Momentum-Partei (Renew-Europe, ALDE Partei) hat die Organisation der Proteste mit in die Hand genommen. Gleichzeitig sind Tausende von Demonstranten in Budapest und anderen Städten auf die Straße gegangen, haben Brücken blockiert und sich den Anordnungen der Polizei widersetzt. Diese Demonstrationen, die wöchentlich stattfinden, spiegeln die wachsende Frustration angesichts der repressiven Maßnahmen der Regierung und die erneute Entschlossenheit zur Wahrung der bürgerlichen Freiheiten wider.
Darüber hinaus hat Momentum an die Mitglieder des Europäischen Parlaments, an Vertreter des diplomatischen Corps und Politiker aus dem Ausland appelliert, an der Ende Juni stattfindenden Budapester Pride-Parade teilzunehmen. Momentum betont, dass die Teilnahme an der Parade für viele Ungarn nunmehr ein Sicherheitsrisiko darstellt, gegen das eine internationale Sichtbarkeit einen wirksamen Schutz darstellen könnte. Internationale Gäste genießen ohnehin politische Immunität.
Eine weitere umstrittene Neuerung erfolgte mit der 15. Änderung der ungarischen Verfassung. Es geht um die Einführung eines Mechanismus zur Aussetzung der Staatsbürgerschaft. Betroffen sind Ungarinnen und Ungarn, die eine zweite, außereuropäische Staatsbürgerschaft besitzen. Sie können die ungarische für bis zu zehn Jahre verlieren, wenn sie eine Bedrohung für die „öffentliche Ordnung, die öffentliche oder nationale Sicherheit“ Ungarns darstellen. Die Entscheidung darüber liegt bei einem von der Regierung beauftragten Minister, nicht allerdings beim Präsidenten, der traditionell über die Bürgerrechte wacht.
Trotz aller Bemühungen, abweichende Meinungen zu unterdrücken, bleibt die ungarische Zivilgesellschaft widerstandsfähig. Die Europäische Kommission und zahlreiche internationale Menschenrechtsorganisationen haben die jüngste Gesetzgebungswelle verurteilt und die Regierung zur Umkehr aufgefordert. Kritiker werfen der Orbán-Regierung vor, das LGBTQ+-Thema als Waffe einzusetzen, um die konservative Wählerschaft bei Laune zu halten und die Opposition noch weiter zu unterdrücken.
Während sich Ungarn im Vorfeld der Parlamentswahlen 2026 einem kritischen Punkt nähert, tritt der zivilgesellschaftliche Widerstand mutiger, strategischer und geeinter auf. Ob durch juristische Anfechtungen, Druck der EU oder Massenmobilisierung: Ungarns Liberale bleiben standhaft in ihrem Engagement für die Rückeroberungen des demokratischen Raums und für die Verteidigung der individuellen Freiheit und der Rechtsstaatlichkeit. Der Ausgang dieses Kampfes wird nicht nur Ungarns Zukunft prägen. Er wird auch als Lackmustest für die Widerstandsfähigkeit der Demokratie in Europa dienen.
Abschied vom kompetitiven Autoritarismus? Ein Blick auf das bestehende Regime
Das politische System der Türkei unter Führung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist laut politischen Experten seit den Gezi-Protesten 2013 von den Merkmalen eines kompetitiven Autoritarismus geprägt. Dieser Begriff aus der Politikwissenschaft beschreibt ein System, in dem Wahlen und demokratische Institutionen formal zwar bestehen, ihre Funktionsweise jedoch durch Manipulationen und Einschränkungen stark verzerrt wird. So bleibt die äußere Fassade einer Demokratie erhalten, während die Grundprinzipien der Demokratie zunehmend ausgehöhlt werden.
Trotz der bestehenden demokratischen und rechtsstaatlichen Probleme in der Türkei blieb der Opposition stets die Möglichkeit, Wahlen zu gewinnen – was bei den Kommunalwahlen 2019 und 2024 auch gelang. Seit der Verhaftung und Inhaftierung des Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem İmamoğlu, der über Jahre hinweg als Erdogans stärkster Herausforderer galt, wächst jedoch bei vielen Beobachtern die Befürchtung, dass die Türkei nun die nächste Stufe auf dem Weg zu einem vollständigen Autoritarismus im Stil von Putins Russland erreicht haben könnte. Ein System, in dem Blockparteien zwar formell auftreten, in der Praxis jedoch lediglich dazu dienen, Erdogans Herrschaft zu legitimieren und die Fassade einer pluralistischen Gesellschaft aufrechtzuerhalten.
Das autoritäre Regime in der Türkei hat sich im Laufe der Zeit nicht abrupt, sondern schleichend etabliert. Die ersten Jahre der AKP-Herrschaft waren geprägt von einer spürbaren Demokratisierung und wirtschaftlichen Verbesserungen. Doch mit der zunehmenden Zentralisierung der Macht und der Verlagerung der politischen Kontrolle auf den Präsidenten – besonders nach der Verfassungsänderung von 2017, die dem Präsidenten weitreichende Exekutivbefugnisse gab – wurde klar, dass das politische System immer autoritärer wurde. Der Präsident agiert inzwischen als nahezu unangefochtene Figur, die in allen Bereichen der Politik und Gesellschaft dominierend ist.
Wahlen und demokratische Institutionen als Illusion
Obwohl regelmäßige Wahlen stattfinden und die Opposition formell anerkannt ist, gibt es erhebliche Zweifel an der Fairness und Transparenz des Wahlprozesses. Die Medienlandschaft ist nahezu vollständig unter der direkten oder indirekten Kontrolle der Regierung. Staatsnahe Medien dominieren die Berichterstattung, und unabhängige Journalisten werden eingeschüchtert, zensiert oder sogar inhaftiert. Es gibt fast keine unabhängigen Medien mehr, die es der Bevölkerung ermöglichen, sich eine fundierte Meinung zu bilden. An die Stelle der freien Presse tritt ein staatlich gelenktes Narrativ, das häufig die Regierungspolitik glorifiziert und die Opposition diffamiert.
Ein weiteres zentrales Merkmal des kompetitiven Autoritarismus in der Türkei ist die Wahlmanipulation. Dies zeigt sich besonders in der Art und Weise, wie das Regierungslager Wähler beeinflusst und wie die politische Teilhabe in bestimmten Bereichen erschwert wird. Ausgewogener Zugang zu Wahlmaterialien, die politische Neutralität von Wahlbehörden und Fairness bei der Wahlkampffinanzierung: viele Kritiker sehen sie nicht gegeben. Zudem gibt es immer wieder Berichte über Wahlbetrug und Wahlbeeinflussung – sei es durch die Zuweisung von Wählern in verschiedene Wahllisten oder durch den Druck auf bestimmte Wählergruppen, in Übereinstimmung mit den Interessen der Regierung abzustimmen.
Die Instrumentalisierung der Justiz und der Sicherheitskräfte
Ein weiteres zentrales Merkmal des kompetitiven Autoritarismus ist die Instrumentalisierung der Justiz und der Sicherheitskräfte. Politischen Beobachtern zufolge ist die Unabhängigkeit der Justiz und die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei ernsthaft gefährdet. Auch wird der AKP vorgeworfen, die Justiz zunehmend politisiert zu haben. Richter, die der Regierung nicht genehm sind, sollen entfernt, und die Kontrolle über die Gerichte soll verstärkt worden sein. Gleichzeitig sind die Sicherheitskräfte eng mit der politischen Macht verflochten, was zu einer Atmosphäre von Repression und Überwachung geführt hat. Politische Gegner der Regierung, besonders von der oppositionellen CHP oder von der prokurdischen DEM, sehen sich regelmäßig mit willkürlichen Festnahmen, Rechtsverletzungen und der Verfolgung von Dissens konfrontiert.
Die Verfolgung der Opposition ist ein weiteres Beispiel für den kompetitiven Autoritarismus. Mitglieder der Opposition, prominente Journalisten oder Intellektuelle werden zunehmend mit Rechtsverfahren überzogen, die ihre politische Handlungsfähigkeit einschränken sollen. Auffällig war die Verhaftung von Selahattin Demirtaş, dem ehemaligen Co-Vorsitzenden der pro-kurdischen Partei HDP (jetzt DEM). Das jüngste Beispiel ist der Fall von Ekrem İmamoğlu, dem Bürgermeister von Istanbul.
Seine Verhaftung und anschließende Inhaftierung am 19. März wurde von vielen als politisch motiviert betrachtet, mit dem Ziel, İmamoğlu aus dem politischen Rennen zu nehmen und den Einfluss der Opposition zu schwächen. Diese Verhaftungen und Verurteilungen sind Teil eines breiteren Musters der Strafverfolgung politischer Gegner und der Einschüchterung von Oppositionellen.
Die Sicherheitspolitik der Regierung unter Erdoğan ist stark von der Idee eines permanenten Ausnahmezustands geprägt. Die ständige Bedrohung durch den „Feind von innen und außen“ – sei es durch den PKK, durch angebliche „Lügen der westlichen Medien“ oder durch andere politische Gegner – hat dazu geführt, dass die Sicherheitskräfte immer mehr in die Alltagspolitik eingreifen und dass Bürgerrechte zunehmend eingeschränkt werden. Dies schafft ein Klima der Angst und der Selbstzensur.
Die Konstruktion eines Feindes und die Mobilisierung der Massen
Ein weiteres Merkmal des kompetitiven Autoritarismus in der Türkei ist die Fremdenfeindlichkeit und die Konstruktion von Feinden. Das Regierungslager hat im Laufe der Jahre ein Bild von inneren und äußeren Feinden konstruiert, das stark polarisiert. Die Opposition wird nicht nur politisch bekämpft, sondern häufig als „Vaterlandsverräter“ oder als Unterstützer von „Terroristen“ dargestellt. Diese Feindbildkonstruktionen dienen dazu, eine starke nationalistische und populistische Basis zu mobilisieren und die eigene Macht zu legitimieren. Insbesondere die kurdische Bewegung und die Kritiker der Regierung sind regelmäßig als Bedrohung für die nationale Einheit und als Feinde des Staates dargestellt worden.
Fazit: Die schwierigen Zeiten sind vorbei, es kommen noch schwierigere
Nach der Inhaftierung von Ekrem İmamoğlu und zahlreichen weiteren Verhaftungen aus seinem Umfeld, scheint sich die Türkei von diesem höchst problematischen kompetitiven Autoritarismus zu verabschieden und einem vollständigen Autoritarismus zuzubewegen – einem System, in dem „Ausrutscher“ wie verlorene Wahlen nicht mehr passieren dürfen. Wenn es hart auf hart kommt, werden sich viele Türken wohl mit Sehnsucht an die Zeiten des kompetitiven Autoritarismus erinnern, als Wahlsiege der Opposition zumindest theoretisch noch möglich waren.
Ukraine: Demokratie im Ausnahmezustand
Trotz Krieg und Kriegsrechts: Wie Umfragen zeigen, hat die gesellschaftliche Unterstützung für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine seit Februar 2022 deutlich zugenommen. Das Vertrauen in die nationalen Machtorgane und die Streitkräfte ist unmittelbar nach dem russischen Überfall sprunghaft angestiegen. Allerdings gelang es nur Präsident Selenskyj und den Soldaten an der Front selbst, das hohe Maß an Vertrauen über die Zeit einigermaßen zu bewahren. Der Eklat im Oval Office im Februar 2025 trieb die zwischenzeitlich gesunkenen Unterstützungswerte für Selenskyj wieder in die Höhe. Auch die Äußerungen von Trump, Selenskyj sei ein Diktator und würde keine Wahlen in der Ukraine zulassen, stießen in der Ukraine auf harsche Kritik. Dabei betrachten die meisten Ukrainerinnen und Ukrainer gleichwohl mit Sorge die aktuellen Herausforderungen, vor die der Krieg die fragile ukrainische Demokratie stellt.
Das seit Februar 2022 geltende Kriegsrecht erweitert die Kompetenzen der Präsidialadministration und schränkt die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung und des Bürgerprotests ein. Auch die Verkhovna Rada, das ukrainische Parlament, hat kaum mehr Einfluss auf politische Entscheidungen. Die Opposition beklagt die Einschränkungen ihrer Rechte; die Zivilgesellschaft und die Medien können ihre Aufgabe als unabhängige Watchdogs immer weniger ungestört wahrnehmen, was vor allem in Zeiten tiefgreifender Reformen im Zuge der EU-Integration von zentraler Bedeutung ist.
Einschränkungen der Opposition
Die Regierungspartei „Diener des Volkes“ verfügt weiterhin über eine Mehrheit im Parlament, ist allerdings aufgrund mangelnder Fraktionsdisziplin immer wieder auf Zustimmung anderer Fraktionen zu ihren Gesetzesinitiativen angewiesen. So unterstützt zum Beispiel die liberale Partei Holos, die seit Kriegsbeginn ihren internen Streit beilegen konnte und nun geschlossen im Parlament auftritt, häufig die Initiativen der parlamentarischen Mehrheit.
Im März 2022 suspendierte der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat (RNBO) der Ukraine, ein wichtiges Regierungsgremium neben dem Ministerkabinett, die Aktivitäten mehrerer politischer Gruppierungen, die als Vertreter russischer Interessen bekannt waren. Später wurde die Möglichkeit eines Verbots solcher Parteien gesetzlich verankert und von Gerichten bestätigt. Die Partei des ehemaligen Präsidenten Petro Poroschenko, „Europäische Solidarität“, ist seit dem Verbot der pro-russischen Parteien die größte oppositionelle Fraktion im Parlament und steht Präsident Selenskyj, seiner Partei und seiner Regierung nach wie vor ablehnend gegenüber. Die Spannungen und der politische Wettbewerb zwischen Poroschenko und Selenskyj bleiben weiterhin eine zentrale Trennlinie in der ukrainischen Innenpolitik. Im Februar 2025 verhängte der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat persönliche Sanktionen gegen Poroschenko. Die Sanktionen stehen zwar einer möglichen Kandidatur Poroschenkos bei Präsidentschaftswahlen formell nicht im Wege, schaden jedoch seinem Image; das Einfrieren seiner Vermögenswerte macht eine großangelegte Kampagne finanziell kaum realisierbar.
Poroschenko und eine Reihe weiterer Vertreter oppositioneller Parteien beklagen zudem, dass ihre Reisefreiheit und die Möglichkeit, an internationalen Konferenzen und Besuchsreisen teilzunehmen, beschränkt werden. So dürfen Abgeordnete nur mit einer vorherigen Zustimmung des Parlamentsvorsitzenden das Land verlassen – und diese Zustimmung wird vor allem den Vertretern der Opposition oft verweigert. Diese Praxis lässt den Eindruck entstehen, dass nur regierungstreue Abgeordnete die Ukraine auf internationaler Bühne vertreten dürfen. Auch beklagt wird die mangelnde Beteiligung des Parlaments an den Verhandlungen mit Russland und den USA. Über die Inhalte des geplanten Rohstoffabkommens mit den USA erfuhren die Abgeordneten lediglich aus der Presse. Dabei gehören die Bodenschätze laut ukrainischer Verfassung dem Volk, und die Volksvertreter sollten über solche Abkommen von Anfang an mitreden und mitentscheiden dürfen.
Debatte um Neuwahlen und Legitimationsfragen
Die Frage der Legitimation des Präsidenten und möglicher Neuwahlen in der Ukraine geistern bereits seit längerer Zeit durch die russischen Propagandakanäle; Donald Trump hat sie international aufgegriffen. Dabei ist die ukrainische Verfassung in dieser Hinsicht eindeutig: Der Präsident übt sein Amt bis zur Amtseinführung seines Nachfolgers aus. Das Kriegsrecht verbietet die Abhaltung jeglicher Wahlen, seien es Präsidentschafts-, Parlaments- oder Kommunalwahlen. Um Wahlen in der Ukraine abzuhalten, wäre eine umfassende Gesetzesänderung notwendig. Und selbst dann bliebe festzuhalten, dass die Durchführung von Wahlen nach demokratischen Standards im Krieg praktisch unmöglich wäre. Dennoch drängt der amerikanische Präsident, vermutlich durch das Einwirken des russischen Präsidenten, auf Neuwahlen. Nun häufen sich auch die Hinweise, dass die Präsidialadministration rund um Selenskyj sich auf Wahlen vorbereiten soll – auch wenn sie dies offiziell abstreitet. Die Regierung könnte die hohen Zustimmungswerte des Präsidenten und den Kriegszustand nutzen, um sich in eine günstige Lage zu bringen. Populistische Maßnahmen wie der „Nationale Cashback“, der Bürgerinnen und Bürger eine Rückerstattung von 10% der Kosten für ukrainischen Waren gewährt, und die Regulierung von Medikamentenpreisen werden als Wahlkampfstrategien interpretiert. Die Oppositionsparteien verfügen hingegen über sehr begrenzte Ressourcen, um sich aktiv am Wahlprozess zu beteiligen, was zu einer Verzerrung des politischen Wettbewerbs im Fall von Neuwahlen führen würde.
Ukrainische Medien und Zivilgesellschaft unter Druck
Die ukrainische Medienlandschaft verzeichnet eine Zentralisierung der Fernsehnachrichten, einen Rückgang der Printmedien und den Aufstieg von Informationskanälen in den Sozialen Medien. Durch den „Einheitlichen Nachrichtenmarathon“ kann die Regierung Einfluss auf die Berichterstattung nehmen. Kritiker beklagen, dass die Sicht der Zivilgesellschaft und der Opposition auf bestimmte Ereignisse, wie zum Beispiel die derzeit laufenden Verhandlungen mit Russland, keinen Platz in der offiziellen Berichterstattung finden.
Die Arbeit von investigativen Journalisten, die derzeit extrem wichtig ist, wird durch eingeschränkten Zugang zu Daten behindert. So wird derzeit vom Parlament ein Gesetzesentwurf beraten, der den Zugang zu staatlichen Registern unter Verweis auf Belange der öffentlichen Sicherheit beschränken soll. Die Journalistenverbände kritisieren diesen Schritt, und befürchten Auswirkungen auf ihre Arbeit, insbesondere bei der Aufdeckung von Korruption. Einige Redaktionen beklagen den Druck vonseiten der Präsidialadministration, wonach Journalistinnen und Journalisten zur Selbstzensur, vor allem bei gesellschaftlich kritischen Themen, gezwungen würden.
Die ukrainische Zivilgesellschaft, die seit Jahrzehnten als kritischer Wächter der ukrainischen Demokratie fungiert, stößt in Zeiten des Kriegsrechts an ihre Grenzen. Zwar kann sie formell uneingeschränkt agieren, doch werden ihr Zugänge zu den Entscheidungsträgern zunehmend erschwert, und ihre Möglichkeiten, sich an politischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen, knapper. Die Regierung bindet Vertreter der Zivilgesellschaft immer weniger ein. Eine Ausnahme bilden die Verhandlungen zu den einzelnen EU-Beitrittskapiteln, bei denen sich die Zivilgesellschaft feste Plätze in den Arbeitsgruppen sichern konnte. Die Bevölkerung, die im Kriegsrecht weder wählen noch protestieren kann, kann lediglich das offizielle Instrument der Petitionen nutzen. Petitionen, die über 25.000 Unterschriften auf sich vereinen, werden dem Präsidenten vorgelegt. Dennoch bleibt die Mehrheit davon unbeantwortet.
Die Vertreter kommunaler Selbstverwaltungen, das Rückgrat der Demokratie auf lokaler Ebene, fühlen sich von den vom Präsidenten eingesetzten lokalen Militäradministrationen in ihren Kompetenzen eingeschränkt. Dabei sind es die kommunalen Akteure, die die größte Last des Krieges tragen – durch die Aufnahme und Integration Binnenvertriebener, die Beseitigung von Kriegsschäden und die Entwicklung nachhaltiger Strategien für die Kommunen trotz des Krieges. Es werden auch die Gemeinden sein, die die für den EU-Beitritt notwendigen Reformen und die Projekte des Wiederaufbaus umsetzen werden.
Die Demokratie verteidigen - nicht nur territorial
Durch den Ausfall der amerikanischen Unterstützung durch USAID u.a. sind diese Akteure insbesondere auf Unterstützung weiterer internationaler Akteure angewiesen. Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit arbeitet in der Ukraine intensiv mit kommunalen Selbstverwaltungen und unabhängigen Medien zusammen, um deren Einsatz für die Stärkung der ukrainischen Demokratie zu würdigen. Russland ist es nicht gelungen, die ukrainische Souveränität und den Willen nach Unabhängigkeit zu brechen. Was Russland aber durch den lang anhaltenden Krieg gelingen kann, ist die Erosion demokratischer Institutionen. Diese Gefahr ist nicht nur für die Ukraine akut, sondern für ganz Europa. Deswegen ist die Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland wichtiger denn je. Es geht um den Schutz unserer Demokratien.
Zivilgesellschaft unter neuen Rahmenbedingungen in der Slowakei
Seit der Rückkehr von Ministerpräsident Robert Fico an die Macht im Oktober 2023 erlebt die Slowakei eine besorgniserregende Erosion liberaler demokratischer Prinzipien. Die Situation spitze nach dem Attentat auf den Premier im Mai 2024 zu, was die Regierung zum Anlass für weitere Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten nahm. Demonstrationen in unmittelbarer Nähe von Parlament, Regierungsgebäuden und Wohnsitzen von Politikern wurden verboten. Diese Maßnahmen verstärkten das Klima von Misstrauen und Einschüchterung innerhalb der Zivilgesellschaft.
Laut Fico und seinen engeren Mitarbeitern sind es gerade Oppositionspolitiker, Medien und NGOs, die die Gesellschaft polarisieren und gegen die nationalen Interessen der Slowakei arbeiten. Diese Anti-Kampagne funktioniert offenbar gut bei den slowakischen Bürgern, zumindest was die Medien und NGOs betrifft, denn wie die jüngste Studie von Globsec Trends zeigt, glauben nur fünfzig Prozent der Slowaken, dass die heimischen Medien unabhängig sind, und nur 52 Prozent halten die Arbeit von NGOs für wichtig für die Demokratie.
Ein zentrales Element dieser Entwicklung ist das im April 2025 verabschiedete NGO-Gesetz. Das Gesetz zwingt NGOs, jährlich detaillierte Angaben über Finanzquellen sowie wichtige Geldgeber offenzulegen. Darüber hinaus müssen NGOs nun jede Anfrage zu ihrer Tätigkeit beantworten, was bei missbräuchlicher Nutzung zu hohem bürokratischen Aufwand und einer Einschränkung ihrer eigentlichen Arbeit führen kann. Bei Verstößen drohen hohe Geldstrafen, was bereits heftige Proteste und internationale Kritik hervorrief. Ursprünglich sah der Gesetzesentwurf noch drastischere Maßnahmen vor, z. B. die Kennzeichnung von NGOs als „Organisationen mit ausländischer Unterstützung“ oder „Lobbyisten“ und die Möglichkeit ihrer Auflösung bei administrativen Verstößen. Diese Punkte wurden jedoch nach Protesten und Warnungen seitens der EU abgeschwächt. Gegner vergleichen die Regelungen mit repressiven NGO-Gesetzen aus Russland und Georgien und werfen der Regierung Fico vor, fundamentale Rechte wie Meinungs- und Vereinigungsfreiheit verletzen, kritische Stimmen mundtot machen und unabhängige Organisationen gezielt schwächen zu wollen.
Liberale Beobachter sehen diese Entwicklungen als ernste Gefahr für die demokratischen Grundlagen in der Slowakei. Es bleibt entscheidend, dass sowohl national als auch international Druck ausgeübt wird, um ein weiteres Abrutschen in autoritäre Strukturen zu verhindern und die Freiheiten der slowakischen Zivilgesellschaft zu schützen.